Weg von der heiligen Kuh namens Auto
Mehr Home-Office, weniger Verkehr. Hat sich Corona positiv auf das Klima ausgewirkt? Der renommierte Klimaphysiker Reto Knutti gab am 6. Klimaevent in Arbon Antwort darauf. Und sie fiel wohl für viele anders aus als vermutet.
Klimaphysiker Reto Knutti bringt es am 6. Klimaevent im Presswerk in Arbon auf den Punkt: «Die Erderwärmung ist eindeutig und das Ziel 2050 mit Netto-Null Treibhausgasemissionen ist die logische Konsequenz.» Die grössten Sündenböcke seien der Strassenverkehr, gefolgt vom Flugverkehr und den Gebäuden. Dann würde man doch meinen, Corona habe dem Klima einen Gefallen getan. Schliesslich fuhren weniger Personen mit dem Auto zur Arbeit und in die Ferien fliegen konnte man auch nicht. Doch Knutti relativiert: Die Luftbelastung habe zwar leicht abgenommen, da weniger los war im Strassenverkehr, aber die Reduktion des CO2-Ausstosses liege gerade mal bei 8%. Und jetzt steige er bereits wieder. Lockdown und Home-Office würden dem Klimaschutz also herzlich wenig nützen. Auch bei den wirtschaftlichen Interessen habe jeder für sich geschaut. Auf die Frage, was man denn auf dem Weg zu Netto-Null konkret machen könne, antwortet der Klimaphysiker: «Weg von der heiligen Kuh oder umsteigen auf das Elektroauto, wenn es ein Auto sein muss. Erneuerbare Energien statt fossile. Weniger tierische Produkte und überhaupt mehr Eigenverantwortung».
Umdenken in Unternehmen
In der anschliessenden Podiumsdiskussion stellten sich Vertreter aus der Wirtschaft den harten Worten von Reto Knutti. Unter anderem versicherte Giuseppe Chillari, Geschäftsführer von GDELSMowag in Kreuzlingen, dass man die Reisetätigkeit stark reduziert hätte und mehr über Online-Meetings abwickeln würde. Dennis Reichardt, Inhaber von Die Klimamacher AG und Organisator der Veranstaltung, zeigt sich erfreut von der Entwicklung, dass immer mehr Kunden auf Wärmepumpe umsteigen. Allerdings sei das aktuelle Rohstoff-Beschaffungsproblem eine grosse Herausforderung, man habe mit langen Lieferfristen zu kämpfen. Genauso bei GDELSMowag: Die Rohmaterialien seien knapp und die Preise am Explodieren. Auch unter den rund 300 Teilnehmenden des Klimaevents war Ähnliches zu hören. «Wir haben Corona gut überstanden, auch wenn wir weniger Umsatz verzeichneten aufgrund des rückläufigen Marktes. Das grösste Problem sind auch bei uns die Lieferfristen für Rohstoffe», so Hans Ulrich Lindenmann von der Forster Profilsysteme AG in Arbon. Die EKT AG hat Corona wirtschaftlich nicht gross gespürt. «Die Herausforderung lag eher darin, das Versorgungsnetz sicherstellen zu können», sagt CFO Michael Fritz. Letztlich verdeutlichte Reto Knutti nochmals den Weg von der Corona- zur Klimakrise: «Wir müssen eine gemeinsame Vision entwickeln. Das ist Verantwortung, das ist Haltung, dort wollen wir aus Überzeugung hin. Und wenn uns das gelingt, die Leute so zu begeistern, dann bin ich sicher, dass wir viel bewegen können.»